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Mann werden - wie der Vater so der Sohn ? (Teil 1)
von Josef Hönerlage
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Mann werden – wie der Vater so der Sohn ? Mein Vater und ich

"Wer bin ich als Mann ?", diese Frage hatte sich nach einem über Jahre dauernden Beziehungsstreit mit meiner Frau, der Mutter meiner zwei Töchter und meiner zwei Söhne, in den Vordergrund gedrängt. Meine Frau wollte einen "richtigen Mann" an ihrer, ich wollte eine "richtige Frau" an meiner Seite haben. Das mit dem Mann und Frau sein hatten wir wohl beide noch nicht richtig verstanden. Als ich mich schließlich von meiner Frau und meinen Kindern trennte, war das mit der Erkenntnis verbunden, dass Wunsch und Wille, ein guter Vater zu sein, und mein Höchsteinsatz für die Beziehung mit meiner Frau und für unser Familienprojekt nicht gereicht hatten.

Meine Herausforderung Mann werden

Mit Ende 30 hatte ich einen Job als Ingenieur, hatte eine Familie gegründet mit der "richtigen" Frau, wie ich dachte, und ein Haus gebaut. Es entstanden schleichend Beziehungsprobleme, die sich schließlich zum Beziehungsdauerstreit entwickelten, gefolgt von diversen Rettungsversuchen, und die mit der Trennung und meinem Auszug aus dem Familienhaus endeten. Heute 25 Jahre später - mittlerweile bin ich auch Männercoach und Großvater- weiß ich, dass meine Wünsche und mein Verhalten damals ziemlich naiv und romantisch gewesen sind. Ich war mir nicht in vollem Ausmaß bewusst, auf was ich mich mit der Familiengründung eingelassen hatte - wie ich zum Beispiel angemessen und souverän mit Beziehungsproblemen umgehen sollte, oder welche Verantwortung ich als Vater wirklich übernehmen konnte.

Ich wusste damals nicht, dass man als Mann und Vater weder geboren wird, noch dass es dafür Patentrezepte gibt. Heute weiß ich, dass Mann und Vater werden bewusste persönliche Entwicklungsprozesse sind, für die man Unterstützung durch andere Männer und Väter braucht. Allgemeine gesellschaftliche Normen, was Mann sein ist, oder wie man zum Mann wird, gibt es nicht. Glücklicherweise existiert auch nicht mehr die gesellschaftlich normierte Fremdbestimmung früherer Zeiten. Heute braucht ein Mann das persönliche Bewusstsein und den Willen, sich auf einen eigenen Entwicklungsweg zu begeben.
Der von mir sehr geschätzte Franziskanerpater und Autor zum Thema männliche Spiritualität, Richard Rohr, fasst das in seinem Buch "Endlich Mann werden" so zusammen: "Die gegenwärtige ältere Männergeneration in der westlichen Welt wurde größtenteils selbst nicht von ihren Vätern begleitet und angeleitet.......Entweder haben also Frauen die Jungen zu ihrer Version von Männlichkeit erzogen, oder die Männer sind in der Entwicklung ihres Ego -ohne Begleitung und Anleitung- auf der Stufe des Teenagers stehen geblieben.
Wir müssen heute oft bei Null anfangen oder um eine Art Initialzündung beten, denn man kann nur das weitergeben, was man kennt." (Auszug aus Artikel "Weshalb moderne Gesellschaften Initiation nötig haben")

Wer bin ich als Mann ?

Wer war ich als Mann gegenüber meiner Frau, welches Bild von einem Mann bekamen meine Kinder von mir, wie wirkte ich als Mann nach außen ? Der Versuch, mit Hilfe einer Psychotherapie die Beziehung zu meiner Frau zu retten, war zwar nicht gelungen, aber die Therapie hatte mir zu einem Bewusstseinssprung verholfen, was Mann sein betrifft. Ich begann besser zu verstehen, was die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind, wie Eltern das Mann oder Frau werden beeinflussen können, und welche große Bedeutung der Vater beim Mann werden für einen Sohn hat.
Mein Vater rückte in den Mittelpunkt bei der Suche nach Antworten auf meine Fragen. Je mehr ich mich mit meinem Vater auseinandersetzte, umso so mehr wurde er zu einem Spiegel für mich, in dem ich mich erkennen konnte. Mein Verhalten, die Art meines Denkens und Handelns, bestimmte Kompetenzen und Hobbys wiesen viele Ähnlichkeiten mit meinem Vater auf. Nur auf die Frage, wer bin ich als Mann, fand ich keine Antwort bei meinem Vater, genauso wenig wie auf die Frage, was für ein Mann er war.

Meinen Vater hatte ich als Mann gegenüber seiner Frau, meiner Mutter, kaum in Erinnerung. Auch als männliches Vorbild und Unterstützer bei meinem Mann werden war mein Vater für mich nicht präsent.
Was mein Mann sein und die Rolle meines Vaters dabei betraf, gab es ein Loch, eine Leere in mir. Diese Leere hatte ich früher nicht wahrgenommen. Jetzt, nachdem ich mit Fragen meines Mann Seins konfrontiert wurde, machte sich diese innere Leere bemerkbar, und sie begann weh zu tun.
Überraschend starb mein Vater, bevor ich mit ihm über meine Fragen ins Gespräch gekommen war.
Für mich gab es zwei Möglichkeiten:
Entweder ich versuche diese Leere in mir und meine Fragen zu verdrängen, in der Hoffnung, ohne Klärung mein Leben wieder in den Griff zu bekommen.
Oder ich traue mich, diese Leere genauer anzusehen, in der Hoffnung, die Leere vielleicht mit etwas Positivem zu füllen und den Schmerz zumindest zu lindern.
Ich habe mich dafür entschieden, diesen zweiten Weg zu gehen.

Spurensuche bei meinem Vater

Meinen Vater habe ich als einen zurückhaltenden und sehr mit sich selbst beschäftigten Mann in Erinnerung. Gespräche zwischen uns waren sachbezogen, von sich selbst und über Gefühle wurde nicht geredet.
Es gab einige Dinge, die meinem Vater, wie ich heute weiß, sehr zugesetzt haben müssen. Mit 14 Jahren hat er seine Mutter verloren. Als 16-jähriger wurde er kurz vor Kriegsende noch als Flakhelfer eingezogen und hat sehr traumatische Kriegs- und Gefangenschaftserlebnisse gehabt. Unterstützung und positive Zuwendung durch seinen eigenen Vater haben ihm weitgehend gefehlt nicht nur in Kind- und Jugendzeiten, sondern auch später bei der Familiengründung und dem Bau eines eigenen Hauses.
Und schließlich, daran kann ich mich gut erinnern, lag besonders von meiner Mutter ausgehend oft so eine drückende, fast depressive Stimmung in unserer Familie in der Luft. Lebensfreude und ein Sexualleben waren wohl Mangelware. Mein Vater litt unter dieser Situation, passte sich aber an und zog sich zurück. Sein Credo war – ja nicht nach außen negativ auffallen als fromme, moralisch integere Katholiken. Stattdessen engagierte er sich in seine berufliche Karriere, war in der Kommunalpolitik aktiv, war Mitglied im Männergesangsverein, konnte gut beim Handwerken, Fußball und Wandern abschalten. Intellektuell war mein Vater meiner Mutter überlegen und ließ sie das deutlich spüren. Im Familienleben hatte meine Mutter das Sagen, mein Vater ordnete sich weitgehend unter.

In meinen ersten 5 Lebensjahren hat mich mein Vater vollständig dem Einfluss meiner streng katholischen Mutter überlassen, die mit Liebesentzug und moralischer Schuldzuweisung versuchte, jede irgendwie geartete "Aggression" oder sexuelle Regung in meinem Jungen Dasein zu unterdrücken. Mein Vater war bei Ungehorsam dann für den Strafvollzug zuständig. Die seelischen, fast traumatischen Konsequenzen, die das Verhalten meiner Mutter bei mir verursachten, nahm mein Vater nicht wahr, geschweige denn, dass er mir half.

Als Vater, der gemeinsam mit mir etwas unternahm, habe ich besonders das Alter ab 6 bis zur Pubertät in Erinnerung. Handwerken, Fußball und in der Natur sein waren Dinge, bei denen mein Vater für mich als eigenständige Person fühlbar wurde, und auch er mich als eigene Person wahrnahm. Handwerken, Fußball und in der Natur sein wurden meinen Vater und mich verbindende Gemeinsamkeiten. Ich wurde begeisterter Fußballer, mein Vater unterstützte mich in diesem "Männern" vorbehaltenen Gebiet. Aus einer Schreinerfamilie stammend, lernte ich von meinem Vater Holz zu bearbeiten und kreative handwerkliche Lösungen für alle möglichen Probleme zu finden. Auf Spaziergängen im bergigen, waldreichen Umland konnten wir schweigend die Verbundenheit mit der Natur spüren, oder in Überlieferungen und Geschichten unserer Heimat eintauchen.

Mit dem Beginn meiner Pubertät war mein Vater kaum noch für mich greifbar. Berufliche Herausforderungen waren für ihn mit großem Zeitaufwand und Stress verbunden und nahmen ihn völlig ein. So stand ich als heranwachsender junger Mann allein da mit meinen Fragen zum Mann sein, zu Frauen und Sexualität, allesamt angstbesetzte rote Tücher für mich. Ich wurde in dieser pubertären Zeit sehr introvertiert und verklemmt, zog mich in mich zurück. Mir fehlten Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein.
Anscheinend war meinem Vater nicht bewusst, um was es in der Pubertät für Jungen geht, wie wichtig ein präsenter und unterstützender Vater für heranwachsende Männer ist.

Mein Vater und ich

Als ich nach dem Abitur mein Elternhaus verließ, um unabhängig von meinen Eltern zu sein, wusste ich nur eins, ich wollte anders und besser sein als mein Vater, und ich wollte ihm beweisen, dass ich das schaffen würde. Während ich mit dem Älterwerden meine moralisierende Mutter zunehmend weniger ernst nahm, baute sich gegenüber meinem Vater immer mehr Wut in mir auf. Die stille Hoffnung, von meinem Vater Anerkennung und Unterstützung zu bekommen, war vergeblich, mein Vater nahm mich einfach nicht wahr. Aus der Not heraus, eher unbewusst, verdrängte ich meine persönlichen Probleme und ging in eine Totalrebellion gegen die Gesellschaft, gegen die Kirche, gegen meine Eltern und besonders gegen meinen Vater. Mein Vater politisch rechts, auf das Paradies im Himmel hoffend, ich politisch links, der das Paradies auf Erden schaffen wollte. Ich wurde zum schwarzen Schaf, dass die Sicherheit und den guten Ruf der Familie zerstörte. Jetzt hatte ich wenigstens die Aufmerksamkeit meines Vaters. Nur anstelle von Unterstützung und Vertrauen begleitete mich seitdem seine Aussage, "Das kann mit Dir nichts werden !" .

Zwischen meinem Vater und mir entwickelte sich eine große Distanz.
Wie ich erst nach seinem Tod begriffen habe, hat auch mein Vater sehr unter den Auseinandersetzungen mit mir gelitten. Da war einerseits die "Rufschädigung", andererseits aber auch die Tatsache, dass ich, sein einziger Sohn, mich gegen ihn stellte. Es tat ihm weh, aber mein Vater war nicht bereit, neben seinen konservativ katholischen Standpunkten andere Einstellungen zu akzeptieren. Wahrscheinlich brauchte er diese ziemlich doktrinäre Einstellung, um sich und seine Situation nicht infrage stellen zu müssen.
Auf der anderen Seite hatte ich meine unverarbeiteten persönlichen Probleme auf eine politische Freund-Feind- Ebene verschoben.
So standen wir beide, Vater und Sohn, uns konträr gegenüber, ideologisch bestimmt und damit ohne Chance, persönlich näher zusammen zu kommen.

Unter diesen Voraussetzungen machte ich mich auf den Weg in mein eigenes Leben, angetrieben von dem Wunsch, es besser machen zu wollen als mein Vater.
Wenn ich heute auf meinen damaligen Start ins Leben zurückblicke, kann ich es so zusammenfassen: Ich wusste nicht, wer ich als Mann bin. Ich hatte kein wirkliches Selbstvertrauen, sondern einen Haufen ungelöster verdrängter persönlicher Probleme. Ich hatte mich nicht von meinem Vater emanzipiert, sondern wurde davon angetrieben, ihm etwas zu beweisen.
Eine solche Ausgangssituation für meine beruflichen und familiären Besser-als-mein-Vater- Ambitionen war kritisch, ein Scheitern vorprogrammiert. Ich war nicht souverän, konnte nur schlecht mit Kritik umgehen und versuchte proaktiv jede mögliche Angriffsstelle zu vermeiden. Mein Handeln war sehr von meiner Suche nach Anerkennung und Bestätigung, nach einem "guten" und vertrauensvollen Vater bestimmt. Beruflich kam ich nicht so weit, wie mein Vater, und mit dem Ende meiner Ehe und damit des Familienprojekts war auch mein Wunsch, besser als mein Vater zu sein, gescheitert.
Für mich fühlte es sich so an, dass ich gescheitert war, innerlich von Schuld- und Versagensgefühlen besetzt.

Erkenntnisse

Im Nachhinein bei der Auseinandersetzung mit meinem Vater ist mir klar geworden, dass auch mein Vater nicht wusste, wer er als Mann war. Dass er so gehandelt hat, wie er es selbst kennengelernt hat. Dass er keine Unterstützung von seinem Vater hatte, dass er irgendwie mit seiner verlorenen Jugend und seinen traumatischen Kriegserfahrungen alleine klar kommen musste.
Mein Vater hat immer betont, dass wir Kinder es einmal besser haben sollten, als sie, meine Eltern. In gewisser Weise hat er das ja geschafft. Ich durfte in „äußerer“ Sicherheit und relativem Wohlstand aufwachsen. Das zum guten Erwachsenwerden auch innere, persönliche Sicherheit, seelische und geistige Freiheit und bei Söhnen die Ausbildung einer gefestigten männlichen Identität gehören, das hat mein Vater anscheinend nicht gewusst.

Das Erbe meines Vaters beinhaltet für mich Positives wie Negatives. Das gemeinsame Interesse von meinem Vater und mir am Handwerken und Fußball und unsere Verbundenheit mit der Natur sind wertvolle Dinge, die mir in Krisenzeiten oft geholfen haben. Dafür, dass ich in Sicherheit und in relativem Wohlstand aufwachsen konnte, bin ich meinem Vater ebenfalls dankbar.
Die große Leere, die mich in meinem Leben lange Zeit begleitet hat, resultierte aus meiner unterentwickelten männlichen Persönlichkeit und meinem mangelnden Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Beides Dinge, die ich von meinem Vater hätte bekommen müssen, die ich von ihm aber nicht bekommen habe.
Wie ich heute weiß, waren das Dinge, die mein Vater mir nicht geben konnte, weil er sie selbst nicht kannte.

 

 

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